30 Jahre Tschernobyl

Zum 30. Jahrestag der Atomkatastrophe in Tschernobyl, die am 26.4.1986 stattfand, erklärt der SPD-Landtagsabgeordnete Stephan Grüger:

„Ich kann mich noch, wie viele in meinem Alter, gut an die Tage Ende April 1986 erinnern, als langsam klar wurde, dass im Atomkraftwerk Tschernobyl der GAU, der „Größte Anzunehmende Unglücksfall“, eingetreten war, von dem die Lobbyisten der Atomenergie immer behaupteten, er sei so unwahrscheinlich, dass es nie dazu kommen würde. Für mich war dieser GAU nur ein weiterer Beleg für meine schon damals bestehende Überzeugung, dass die Atomenergie allein schon auf Grund der logischen Fehlerhaftigkeit menschlichen Handelns und auf Grund der großflächigen Nichtrückholbarkeit der Unfallfolgen eine nicht beherrschbare Technologie ist. Schließlich war nur sieben Jahre vor der Atomkatastrophe von Tschernobyl bereits eine schwere Havarie mit Kernschmelze im US-Atomkraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg bekannt geworden. Möglicherweise gab es noch viel mehr schwere Atomumfälle in der ganzen Welt, die jedoch vertuscht wurden.

Und die Atomkatastrophe von Tschernobyl dauert an, auch in Deutschland. Selbst 30 Jahre nach dem GAU im Atomkraftwerk Tschernobyl werden in Pilzen und Wildschweinen im Nachbarland Bayern manchmal noch stark erhöhte radioaktive Werte gemessen – bei Caesium 137 mit Spitzenwerten um 10.000 Becquerel. Kein Wunder, bei einer Halbwertszeit von rund 30 Jahren bei Caesium 137 ist gerade einmal die Hälfte des Caesium 137 Fallouts verstrahlt. In weiteren 30 Jahren ist es dann ein Viertel. Das ebenfalls freigesetzte Uran 235 hat eine Halbwertszeit von 703.800.000 Jahren. Als Biologiestudent habe ich Ende der 80er Jahre selbst Messungen der Radioaktivität von Pilzen und des Bodens vorgenommen, mit erschreckend hohen Radioaktivitätswerten.

Eine 2011 veröffentlichte Studie der Ärzteorganisation IPPNW prognostiziert für ganz Europa bis in Jahr 2056 knapp 240 000 zusätzliche Krebsfälle wegen Tschernobyl, zusätzlich zu den mehr als 112 000 Liquidatoren, die an den Folgen ihrer Zwangsarbeiten gestorben sind. Die Gesellschaft für Strahlenschutz geht sogar von 1,4 Millionen Menschen aus, die bis heute an den Folgen der vom GAU in Tschernobyl ausgelösten Verstrahlung gestorben sind.

Ich bin daher froh, dass die SPD noch 1986 auf dem Bundesparteitag in Nürnberg den Atomausstieg beschlossen und diesen dann auch nach Regierungsübernahme 1998 umgesetzt hat. Unter dem Eindruck des Ausstiegsbeschlusses der SPD bin ich 1987 Mitglied der SPD geworden und habe mich auch dort, wie zuvor bereits an Schule und Hochschule für eine Energiewende mit Erneuerbaren Energien als Alternative für Atomenergie und Kohlestrom eingesetzt. Dabei habe ich Hermann Scheer kennengelernt, den späteren Vater des EEG und damit der Energiewende. Es war die Auseinandersetzung mit der Atomenergie und mit dem nuklear-militärischen Komplex, die mich zu den Erneuerbaren Energien und zu meinem Einsatz für eine Energiewende hin zu einer vollständig erneuerbaren Energieversorgung geführt hat. Ähnliche Biographien gibt es in meiner Generation viele und Tschernobyl ist noch immer unser Fanal, unser Auftrag und unsere Verpflichtung, die unverantwortliche und wirtschaftlich unsinnige Nutzung der Atomenergie zu beenden.“