„KiföG ist ein Qualitätsverhinderungsgesetz“

Thomas Seibel (SPD Dillenburg), Landtagskandidat Stephan Grüger und MdL Gerhard Merz

Auf Einladung von SPD-Landtagskandidat Stephan Grüger gemeinsam mit der SPD Dillenburg kam Gerhard Merz in die Dillenburger Stadthalle, um mit Beteiligten über das sogenannte Kinderförderungsgesetz (KiföG) der CDU/FDP-Landesregierung zu diskutieren. Merz ist familienpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und war früher fünf Jahre Sozialdezernent in Gießen.
„Bei meinen bisher rund 3.000 Hausbesuchen war das sogenannte Kinderförderungsgesetz immer wieder Thema und ich freue mich den Experten der Landtagsfraktion zur Diskussion begrüßen zu können“, sagte Grüger zu Beginn der Veranstaltung,
zu der neben Kommunalpolitikern auch Erzieherinnen und Leiterinnen von Kindertagesstätten gekommen waren. Grüger machte deutlich, dass eine frühe und qualitativ hochwertige Förderung in den Kitas wichtig für Kinder sei, nicht nur für Kinder aus sozial benachteiligten Familien.
Merz verdeutlichte zunächst die Haltung der SPD-Landtagsfraktion zum Nein gegen das Kifög in erster, zweiter und dritter Lesung. Die Kitas benötigten mehr Geld, mehr Fachkräfte, Anreize zum Ausbau von Ganztagesplätzen und Maßnahmen zur Umsetzung für Inklusion. Dies alles leiste das Gesetz mit dem wohl klingenden Namen aber keineswegs. Der Tenor des Gesetzes laute: lieber ein schlechter Betreuungsplatz als keiner. „Das machen wir aber nicht mit“, sagte Merz.
Das Land sage es stelle 425 Mio € pro Jahr für die Kitas zur Verfügung. Bei genauerem Blick stelle sich aber heraus, dass davon 220 Mio € (inkl. 70 Mio € für das beitragsfreie Kita-Jahr) aus dem kommunalen Finanzausgleich komme und damit kommunales Geld sei. Weitere 70 Mio € seien Bundesmittel für die Betriebskostenfinanzierung der U3-Betreuung. 100 Mio € seien zwar Landesgeld für die Umsetzung der Mindestverordnung, zu deren Zahlung der Staatsgerichtshof die Landesregierung aber verdonnern musste. Als tatsächliche freiwillige und landeseigene Mittel blieben noch ca. 35 Mio €. Die sei zu wenig für die Forderungen und Herausforderungen, die die Kitas zu bestehen haben. Die Liga der Wohlfahrtsverbände, Kitas, Kommunen fordern mehr Geld u.a. für den Ausbau der U3-Betreuung und die Garantie auf einen Kitaplatz für Eltern ab dem 01.08.
Ein Kernproblem des Gesetzes sei, dass nicht länger Gruppen oder Einrichtungen finanziell unterstützt würden, sondern die Finanzierung pro besetztem Kitaplatz erfolge. „Für die Qualität ist aber entscheidend wie die Gruppe ausgestattet ist, darauf muss die Finanzierung abzielen“, machte Merz deutlich. Es entstehe der Anreiz die Gruppen mindestens zum Stichtag der Abrechnung randvoll zu machen. Das bedeute 25 Kinder pro Gruppe, unabhängig ob und wieviele Kinder es mit erhöhtem Förderbedarf in der Gruppe gebe. Wer die Gruppen aus pädagogischen oder anderen Gründen nicht vollmachen will oder kann, vor allem Kitas im ländlichen Raum und kleine Träger seien betroffen, der habe dann ein Finanzierungsproblem. „Das alles stellt eine Verschlechterung der Standards dar und geht zu Lasten derer, die die Arbeit machen“, so Merz. Denn das alles führe dazu, dass es noch mehr befristete, hochflexible Teilzeitverträge geben werde. Das genaue Gegenteil wäre aber richtig. Durch weniger befristete Arbeitsplätze würden die Erzieherinnen gestärkt und es würde dem Fachkräftemangel begegnen, wenn der Job sicher und mit Perspektive versehen sei. Der erhebliche Widerstand von Erzieherinnen, Eltern und Sozialverbänden stieß bei CDU und FDP aber auf taube Ohren. Die einzige Änderung erfolgte nach den Protesten beim Einsatz von fachfremdem Personal in den Kitas. Hier sollte das Fachkräftegebot geschliffen werden, doch dies wurde zurück genommen. Alles andere sei eine Verschlimmbesserung.
Im Falle eines Wahlsieges am 22. September werde die SPD das Gesetz zurück nehmen und zunächst die bisherigen Standards wieder einsetzen. Das Gesetz tritt am 01. Januar in Kraft. Der neu gewählte Landtag kann frühestens am 18. Januar zusammen kommen, so dass das Kifög zunächst für einige Tage gelte. Dann werde mit allen Beteiligten wie der Liga der Wohlfahrtsverbände, den Beschäftigten und den kommunalen Spitzenverbänden ein neues Gesetz auf den Weg gebracht. Auch ein Wahlsieg im Bund sei wichtig. Eine SPD-geführte Bundesregierung könne z.B. bei Abschaffung des Betreuungsgeldes 120 Mio € für Hessen zur Verfügung stellen
In der Diskussion wurde noch einmal die Stimmung bei den Erzieherinnen und in den Kitas deutlich. Eine Erzieherin, die mittlerweile im Ruhestand ist berichtete: „Schon in meiner Ausbildung 1947 hieß es 15 Kinder sind die ideale Gruppengröße.“ Von anderen wurde die Stimmung der heutigen Kolleginnen und Kollegen wie folgt zusammen gefasst. „Ich bin seit über 20 Jahren in dem Job, aber ich frage mich ob ich unter diesen Bedingungen weiter machen will“, wurde aus mehreren Kitas berichtet. Merz zeigte Verständnis dafür, riet aber mit Blick auf die Landtagswahl erstmal keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.